Ich im Antrittsinterview bei "Regio-Journal", Ausgabe 04/2021
Regio-Journal: Herr Bürgermeister Jung, wie klingt diese Anrede für Sie?
Jung: Ach, ich habe mein ganzes Leben lang keinen Wert auf besondere Anreden oder Titel gelegt und werde damit jetzt sicherlich nicht anfangen. Ich bin glücklich, meiner geliebten Heimatstadt dienen zu dürfen.
Regio-Journal: Herr Jung, Sie haben durch das Wahlergebnis ein überzeugendes Votum der Bürgerinnen und Bürger erhalten. Ist dieser Vertrauensvorschuss Last oder beflügelt er Sie in der Arbeit?
Jung: Ich verspüre keine Last durch das Wahlergebnis. Ich sehe als Bestätigung für meine jahrzehntelange Arbeit in der Friedrichsthaler Verwaltung. Es wird aber kein Ministerium und keine Bundesbehörde nur wegen einer überzeugenden Wahl kommen, um mir oder der Stadtverwaltung den roten Teppich auszurollen. Wir werden weiterhin um jeden Euro kämpfen müssen, der nach Friedrichsthal fließen soll.
Regio-Journal: Der Stadtverwaltung wird generell aus Bürgersicht eine gewisse Trägheit in ihren Entscheidungen vorgeworfen. Wie wollen Sie die Verwaltung auf Tempo bekommen?
Jung: Wissen Sie, so langsam, wie es nach Außen wirken mag, ist die Verwaltung gar nicht. Zahlreiche Maßnahmen wurden medial kritisch dargestellt, da die „Außenkommunikation“ der Stadt nicht mit dem nötigen Selbstbewusstsein auftrat.
Regio-Journal: Was aber nicht die Schuld der „Medien“ ist …
Jung: Das wollte ich damit auch nicht gesagt haben. Es geht um die Außendarstellung einer Stadt. Hierzu gehört eine gute, umfassende Pressearbeit. Das muss vor allem zügiger geschehen und nicht erst beim Abschluss der Projekte, sondern auch im Verlauf der Maßnahmen soll der Öffentlichkeit berichtet werden. Auch in diesem Sinne sollen demnächst alle Rädchen innerhalb der Verwaltung besser ineinandergreifen.
Die Verwaltung soll sich noch mehr als bisher als ein Team verstehen, das Hand in Hand zusammen arbeitet.
Regio-Journal: Kommen wir zu den Projekten: Wann bekommt Friedrichsthal „endlich sein“ Vereinshaus?
Jung: Das kann ich Ihnen derzeit nicht sagen, nicht nur, weil die Stadt Friedrichsthal nicht Bauträger ist. Ich werde in den nächsten Wochen mit meinem Team in der Verwaltung in Abstimmung mit der Kirchengemeinde einen Ablaufplan für zahlreiche Projekte erstellen. Dann können wir die Öffentlichkeit auch über den „Ist-Stand“ und damit auch über die Verantwortlichkeiten in Sachen Vereinshaus informieren.
Regio-Journal: Und was ist mit dem „alten Bahnhof“ in Friedrichsthal?
Jung: Hier wird es einmal Zeit, Ross und Reiter zu benennen: Die Stadt Friedrichsthal ist nicht Eigentümer dieser Bauruine. Hier hat es sich vor vielen Jahren die Deutsche Bahn einfach gemacht und das Gebäude verkauft. Seitdem wechselte das Gebäude regelmäßig mehrmals den Eigentümer. Die Bürgerinnen und Bürger dürfen aber auch nicht erwarten, dass sich die Stadt Friedrichsthal ein solches Millionen-Grab ans Bein bindet und damit andere Projekte, wie den Erhalt eines Hallen- und Freibads, den Rechtsschutzsaal, das Vereinshaus oder das „Projekt Hoferkopf“ riskiert.
Meine Tür steht dem Eigentümer des Gebäudes immer offen. Dieser muss jedoch erst einmal ein ernsthaftes Interesse bekunden, etwas an dem Zustand zu ändern. Dann können wir in der Verwaltung prüfen, welche Türen wir dem Eigentümer bei Behörden etc. öffnen können. Dennoch: Glücklich bin ich mit dem Anblick sicherlich nicht. Es ist ein Schandfleck in unserer Stadt. Wendet man den Blick jedoch in das Herz unserer Stadt, findet man mit dem Haltepunkt „Friedrichsthal Mitte“ einen modernen, schönen Haltepunkt, der ebenfalls gut erreichbar ist. Vielleicht sollte man diesen mehr in den Fokus rücken.
Regio-Journal: Friedrichsthal wirkt an einigen Ecken ungepflegt. Was sind ihre Pläne?
Jung: Ich habe bereits im Wahlkampf gesagt, dass ich ein Pflege- und Gestaltungskonzept für die Stadt entwickeln und Zug um Zug umsetzen möchte. Dies werde ich mit meinem Team zeitnah angehen und die Öffentlichkeit über die Pläne informieren. Hier freuen wir uns auch auf Anregungen zur Gestaltung von Bürgerinnen und Bürgern, andererseits wäre auch die Übernahme von Pflegepartnerschaften ein gangbarer Ausweg aus der Pflegemisere, die sich letztlich auch aus der ungenügenden Personalausstattung unseres Baubetriebshofes ergibt.
Regio-Journal: Klingt nach viel Arbeit für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?
Jung: Aufgrund der dünnen Personaldecke liegen herausfordernde Wochen und Monate vor uns. Ich weiß, dass mein Team auch weiterhin bereit ist, die Ärmel hochzukrempeln und anzupacken. Friedrichsthal braucht neuen Schwung und den Mut, neue Wege zu gehen. Hier sind aber auch die Bürgerinnen und Bürger gefragt.
Regio-Journal: In welchem Bereich?
Jung: Jede Mitbürgerin und jeder Mitbürger kann einen Anteil an der Verschönerung unserer Stadt leisten. Dies beginnt damit, dass nicht wild Müll und Schutt abgelagert wird, dass Papier nicht auf die Straße, sondern in die Mülltonnen geworfen wird. Auch das Gespräch mit den eigenen Kindern hilft, sie von Vandalismus und der Schaffung von „Unordnung“ abzuhalten.
Unbedacht wird immer öfter der Sperrmüll bereits Tage und Wochen vor dem vereinbarten Abholtermin vor der Haustür abgelagert, dies schadet dem Ortsbild und zieht eine wachsende Vernachlässigung nach sich. Da uns die nötigen Kräfte fehlen, hier mit einer eigenen Kehrtruppe nachzuarbeiten, muss über die Durchsetzung von Ordnungsgeldern nachgedacht werden. Leider hat sich ein bedenklicher Schlendrian eingeschlichen, so scheint die Kehrpflicht bei vielen meiner Mitbürgerinnen und Mitbürger in Vergessenheit geraten zu sein. Auch hier ist zielgerichtete Öffentlichkeitsarbeit gefragt, aber auch eine Vorbildwirkung der Stadt als Grundstücksbesitzer. Die bekannte Personalknappheit sollte mit dem Einsatz geeigneter Technik aufgefangen werden, hier sehe ich gute Entwicklungschancen in der Gründung eines Technik- und Gerätepools als Projekt der interkommunalen Zusammenarbeit mit einer Nachbarkommune.
Regio-Journal: Letzte Frage: Es gibt einen Stadtratsbeschluss zur Anschaffung einer mobilen Verkehrsüberwachungsanlage. Dies stand nicht auf der Prioritätenliste der Verwaltung. Was wird hier passieren?
Jung: Ich möchte, dass Friedrichsthal eine sichere Stadt ist. Hierzu gehört der Schulweg der Schulkinder ebenso wie auch die Nachtruhe, die nicht von Rasern gestört werden darf. Aus diesem Grund halte ich eine mobile Verkehrsüberwachung grundsätzlich für sinnvoll. Diese muss nicht nur einfach transportiert, sondern auch von den Mitarbeitern des Ordnungsamtes bedient werden können, andererseits dürfen die Kosten für Kauf oder Miete in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden. Ich habe selbst gesteigertes Interesse daran, dass hier geeignete Lösungen gefunden werden, entsprechende Vorschläge wird die Verwaltung erarbeiten und diese dem Stadtrat präsentieren.
Regio-Journal: Vielen Dank für Ihre Zeit und allzeit eine glückliche Hand!